Wer die Ausstellungen von Heike Kati Barath, Barbara Anna Husar oder Brigit Brandis im Kopf hat, mag von der neuen Otto Piene Schau des Kunstvereins Ulm erstmal enttäuscht sein. Keine Installation, nicht mal ein Objekt wie bei Baumgärtel und Lüpertz oder Aufsteller wie zuletzt bei Achim Riethmann unterteilen den weiten Raum zwischen den dunklen Holzsäulen. Die Bilder reihen sich artig an den vier Wänden des Schuhhaussaals. Und machen auch vom Format her keineswegs staunen, wie das etwa Margret Eicher und Adi Hösle mit ihrer wandbreiten Gobelin-Tapete oder Junior Toscanelli mit hunderten identischen Kleinformaten gelungen war.
„Otto Piene, Energie – Poesie, Arbeiten auf Papier“ gibt sich komplett konventionell. 28 Bilder, meist hinter Glas, die kleinsten etwa 50 auf 50, die größten 130 auf 200 Zentimeter groß. Dazu zwei Fotos des 2014 verstorbenen Künstlers, eines als junger Mann beim Entstehen eines seiner berühmten Feuerbilder und eines aus der späteren Zeit. Passend dazu: drei Keramiken von 2009 in einer Vitrine. Aber die bemerkt man erst auf den zweiten Blick.
Das Nochmalhinschauen und Verweilen lohnt aber gerade in dieser Ausstellung, die das Energetisch-Poetische schon im Titel trägt – und gerade bei diesem Künstler, der vor wenigen Tagen 89 geworden wäre. Der einstige Modedozent, Lichtforscher und Philosoph, der 1958 mit Heinz Mack die Künstlerbewegung Zero gegründet hatte, galt schon zu Lebzeiten international als einer der großen Kunsterneuerer des 20. Jahrhunderts.
So knallt bei den gezeigten Siebdrucken, Serigrafien, den späten Feuergouachen und den Dokumentationen seiner aufsehenerregenden „Sky Art“-Events in den 70er Jahren zwar keineswegs die Form, sehr wohl aber der Inhalt nach wie vor ganz ordentlich. Und passt bestens, auch in die heutige Zeit.
Man denke nur an den berühmten Riesen-Plastikregenbogen, den der mehrfache Documenta-Teilnehmer, trotz traumatisierender Kriegserlebnisse ein unerschütterlicher Optimist, bei den Olympischen Spielen 1972 in München in den Himmel steigen ließ – trotz des schockierenden Terroranschlags nur Tage zuvor.
Jenes Foto hängen die Kunstvereinsmacher um ihren Vorsitzenden Hartmut Dippel an eine zentrale Stelle der Ausstellung. Denn dieser und drei weitere von Piene handbeschrifteten und -signierten Farbsiebdrucke sind hier erstmals öffentlich zu sehen. Auch wenn der ausliegende Katalog jener der bereits vor zwei Jahren in Teheran gezeigten, umfassenderen Otto-Piene-Retrospektive „Rainbow“ ist, hat die Düsseldorfer Galerie Breckner, die Pienes Nachlass verwaltet, die vier Werke dem Ulmer Kunstverein nun exklusiv überlassen.
Der Düsseldorfer Zero-Begründer hatte seit 1960 eine besondere Beziehung zu Ulm. Wie Mack und der später dazugestoßene Günther Uecker, denen das Ulmer Museum bereits Ausstellungen widmete. „Otto Piene war bislang nicht dabei, deshalb füllen wir nun diese Lücke“, erklärt Hartmut Dippel. Unter anderem mit einem Foto des „elektronischen Lichtballetts“ von 1969, zu dem Piene Inge Fried zufolge in Ulm inspiriert wurde – während einer Vernissage im „studio f“, mit dem ihr Mann, Verleger und Kunstförderer Kurt Fried den alteingesessenen Institutionen Ulmer Museum und Kunstverein damals ein Kontrastprogramm entgegensetzen wollte.