Ein tiefblauer Planet leuchtet dem Betrachter entgegen aus dem unendlichen All des schwarzen Papiers. Wie der Mond von einem milchigen Hof umgeben, in der Mitte ein grünes Glühen von verblüffender Plastizität. Himmelskörper werden aus der Hitze geboren, und tatsächlich war auch bei der Entstehung dieser Papier-Arbeit von Otto Piene Feuer im Spiel. Das Blatt mit dem Titel „Blue Sky“ ist eines von rund 35 Werken Pienes, die der Düsseldorfer Galerist Till Breckner in Zusammenarbeit mit dem Kulturamt ab 4. September im Kunstraum Gewerbepark-Süd ausstellt.
Otto Piene (1928-2014) hatte an der Düsseldorfer Akademie Kunst und in Köln Philosophie studiert und 1957 mit seinem ehemaligen Kommilitonen Heinz Mack die Gruppe Zero gegründet, der sich 1961 auch Günther Uecker anschloss. Gemeinsam stellten sie nach den Verheerungen des Zweiten Weltkrieges die Zeitrechnung der Kunst zurück auf null. Ein Countdown vor dem raketenhaften Start in eine internationale Avantgarde. Schon früh hatte sich Piene auf die flüchtigen Elemente Licht und Luft besonnen und sich die Entmaterialisierung der Kunst zur Aufgabe gemacht.
Noch bevor er bei seinen großen „Sky-Events“ aufblasbare Plastiken („Inflatables“) in den Himmel schickte, ließ er flüchtige „Lichtbalette“ über die Wände tanzen, indem er Scheinwerfer auf perforierte Bleche richtete. Von seinen „Rauchzeichnungen“, bei denen er den Ruß von Kerzenflammem mit einem Blatt Papier auffing, war es nur ein kleiner Schritt zu den sogenannten „Feuergouachen“, zu denen auch die Arbeit „Blue Sky“ gehört. Sie entstanden, indem der Künstler die aufgesprühte Farbe anzündete, sodass sich auf der Oberfläche Brandblasen und Verkrustungen aufwarfen – sichtbare Zeichen großer Energie.
Till Breckner, dessen Galerie damit betraut ist, ein Werkverzeichnis von Pienes Grafiken zu erstellen, lernte den Künstler 2012 persönlich kennen. „Er ist mir in dieser Zeit ans Herz gewachsen“, sagt er. „Es war mehr als eine Partnerschaft zwischen Künstler und Galerist. Piene war für mich eher eine großväterliche Figur, und ich habe viel von ihm gelernt. Zum Beispiel, dass man auch im hohen Alter noch offen sein kann für neue Technologien.“ Otto Piene war in den 1960er Jahren in die USA übergesiedelt, hatte als Professor für Umweltkunst am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge gelehrt und bis 1994 das dortige Center for Advanced Visual Studies geleitet, ein Labor für die Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Wissenschaftlern.
Gern erinnert sich Breckner an eine Reise nach Massachusetts, wo Piene mit seiner Frau, der Lyrikerin Elizabeth Goldring, im ländlichen Groton auf einer Farm lebte – fernab vom Kunstbetrieb und doch umgeben von Kunst. Bei seinem Besuch hatte Breckner viele neuartige Farben und Spezialpapiere im Gepäck, denn er wollte den Künstler dazu ermuntern, in dem Feueratelier, das Piene unter freiem Himmel in den Hang gebaut hatte, mit den neuen Materialien zu experimentieren.
So entstanden nach mehreren Jahren wieder neue Feuergouachen. „Ich muss gestehen, dass ich in meiner Arbeit immer dann am glücklichsten war, wenn sie eine überraschende Wendung nahm“, hatte Piene einmal gesagt. Eine solch unvorhergesehene Wirkung trat ein, als er Farbe auf metallbeschichtetem Karton anzündete. Die Papier-Komponente verbrannte und die Metallschicht verformte sich durch die Hitze so stark, dass ein Blatt wie „Morphing“, das in Hilden zu sehen sein wird, eine völlig neue dreidimensionale Qualität bekam.
Was ist ein Bild? Auch darauf wusste Piene eine Antwort: „Das Bild ist ein Kraftfeld, Arena der Begegnung von Energien des Autors, geschmolzen, gegossen in die Bewegungen der Farbe, empfangen aus der Fülle des Universums, geleitet in die Kapillaren der offenen Seele des Betrachters.“
26.8.2016 Rheinische Post Online
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