Günther Uecker Prägedruck Set Lichtschauer 2024 – Zunehmendes Licht ist abnehmende Dunkelheit. Günther Uecker wirbt mit seinem neuen Doppelwerk „Lichtschauer“ für eine Welt der Annäherung.
Seit vielen Jahren ist Günther Uecker bekannt für seine weißen Nagelreliefs; Jene Werke, in denen der Künstler den Nagel zum Ausgangspunkt der Gestaltung macht. Diese seriell angelegten Reliefs, Drucke und Skulpturen knüpfte Günther Uecker meist an die Farbe Weiß. Vielen galt und gilt Günther Uecker daher als Meister der Farbe Weiß.
Was weniger beachtet wurde: Immer wieder verband er Weiß mit seinem Antipoden, dem Schwarz. In seiner Aktion „Schwarzraum – Weißraum“ saß Günther Uecker 1975 ganz in Schwarz gekleidet in einem schwarzen Raum – im Laufe der Aktion übermalte er seine Bekleidung, seine Hände und Arme sowie sein schwarzes Umfeld mit weißer Farbe. Auch in seinen Textarbeiten, den „geschriebenen Bildern“, Werken zu Philosophen und Dichtern wie Jürgen Habermas oder auch in seinem „Brief an Peking“ gehen die Farben Schwarz und Weiß eine enge Verbindung ein.
Nun erschafft Günther Uecker erstmals einen schwarzen Prägedruck. Durch das schwarze, handgeschöpfte Büttenpapier drücken sich Nagelköpfe und Stifte zu einem positiv erhabenen Relief nach vorne, dem Betrachter entgegen. Dieser schwarze Nagel-Prägedruck steht freilich nicht allein, sondern wird von einem sinnverwandten, phänotypisch durchaus vergleichbaren, weißen Nagel-Prägedruck begleitet. Unter dem Titel „Lichtschauer“ fasst Uecker hier erstmals in seinem Spätwerk die Farb-Phänomene Schwarz und Weiß als Paar bewusst ausdrucksvoll zusammen.
Schwarz und Weiß, die beiden Farben, die von der Wissenschaft als „Nichtfarben“ bezeichnet werden und in klassischen Farbkreisen nicht vorkommen, stehen sich in diesem Doppelwerk Günther Ueckers gegenüber. Größtmögliche Helligkeit und tiefste Düsternis, Tag und Nacht, Licht und Dunkel, das Alles und das Nichts, Yin und Yang, die Null und das Unendliche treten hier in einen scharfen Dialog.
Schwarz und Weiß stehen in unterschiedlichen Kulturen für verschiedene Emotionen, Haltungen und Prägungen. Weiß gilt im europäischen Westen als Farbe des Lichts, der Unschuld, der Leere, der Offenheit, der Freude – und sie gilt als Symbol des Friedens. Dieselbe Farbe Weiß kann im asiatischen Kulturraum für Trauer, Tod und Unglück stehen. Schwarz dagegen steht in Europa wie im außereuropäischen Raum für das Böse, Hässliche, Falsche, Bedrohliche und den Tod. Dabei gilt es zu bedenken, dass solche kulturelle Besetzungen von Farben seit Jahrtausenden einem steten Wandel unterlagen und unterliegen. Individuelle Wahrnehmung und Vorlieben spielen dabei eine nicht unbeträchtliche Rolle.
Wenn sich Günther Uecker jetzt, in seinem 94. Lebensjahr, noch einmal mit dieser Dichotomie von Schwarz und Weiß beschäftigt, so ist das ein Akt der Auseinandersetzung mit den ultimativen, den existenziellen, den sinnstiftenden Fragen des Menschseins. So erinnert der Begriff „Lichtschauer“, eine Wortschöpfung des Künstlers, an das Firmament und an ferne Galaxien, an Sternennebel und schwarze Löcher – darüber hinaus spielt Günther Uecker hier mit Metaphern des Göttlichen.
„Lichtschauer“ ist das Ergebnis einer lebenslangen Reflektion, eines Nachdenkens über das Verhältnis von Kunst und Welt. Krieg und Frieden, Reichtum und Not, Gesundheit und Siechtum, Dichtung und Wirklichkeit, Göttliches und Profanes: Solche Gegensätze lassen sich in den „Nichtfarben“ Schwarz und Weiß erfassen. Doch Günther Uecker ist kein Mensch, der in Polaritäten denkt. Er ist ein äußerst belesener, gelehrter Künstler und Humanist, geprägt von der Faszination der „condition humaine“; abgestoßen von den Gräuel der Gewalt, die er als Kind, geprägt von den Erlebnissen des Zweiten Weltkriegs, erlebte. Seitdem reiste der Düsseldorfer Künstler wieder und wieder in Krisen- und Kriegs-Gebiete, denn für ihn gilt: „Nur wenn die Gefahr anschaubar ist, kann diese auch bildhaft sein und die Angst gebannt werden“. Immer war und ist Günther Uecker auf der Suche nach dem Friedvollen im Menschen und dem Verbindenden zwischen den individuellen Positionen. Was ihn antreibt ist „die Neugierde, zu erfahren, inwieweit Menschen fähig sind, sich zu behaupten gegenüber dem Bedrohlichen, das für sie vernichtend sein kann“.
Günther Uecker verstand sich zu allen Zeiten auch als politisch denkender Mensch, als homo politicus, der seine Werke nie ganz abgehoben von den Realitäten der Welt interpretiert wissen wollte.
„Lichtschauer“ ist ein künstlerischer Beleg für diese Haltung: Denn zwischen den unerbittlichen Gegensätzen, diesen äußersten Polen von Weiß und Schwarz, was steht da? Die Farbe Grau mit ihren unzählbaren Schattierungen, die aus der Mischung von Schwarz und Weiß entstehen: Das Grau der Vernunft, das Grau des Kompromisses, das Grau des Ausgleichenden.
In „Lichtschauer“ finden wir die Verbindung zwischen dem hart weißen und dem tief schwarzen Blatt und in den vom Streiflicht erzeugten Höhungen der Nagelköpfe. Das Licht ist das Verbindende zwischen diesen Blättern: Durch den Einfall des Lichts auf die handgeschöpften Papierblätter wird das Weiß cremiger, das Schwarz lichter. Es ist gerade so, als bewegten sich diese beiden extremen Werke aufeinander zu, als hätten sie eine gemeinsame Aufgabe – Brücken zu schlagen zwischen scheinbar unversöhnlichen Polen. „Zunehmendes Licht ist abnehmende Dunkelheit“ sagt Günther Uecker und plädiert damit für die Ziele des Zeitalters der Aufklärung, des siècle de la lumière, des „century of enlightenment“. Günther Uecker, der Wanderer zwischen den Welten, meint damit sicher auch das „innere Licht“ eines jeden Menschen.
Wenn Günther Uecker also jetzt mit „Lichtschauer“ ein Werkpaar mit einem schwarzen und einem weißen Nagel-Prägedruck vorlegt, dann ist das nicht dem Zufall geschuldet. Vielmehr läßt sich darin eine Haltung erkennen. „Lichtschauer“ vermittelt die Einsicht, dass das Heil dieser Welt nicht in ihren Extremen, sondern nur in der Verbindung, der Annäherung von äußersten Behauptungen und Standpunkten liegen kann.
Text von Christiane Hoffmans
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