Lüneburg Die Kulturbäckerei in Lüneburg zeigt einen restrospektiven Überblick über die Jörg Immendorff Grafik.
Am Eingang hängt ein Foto. Der Meister, Grimm im Blick wie immer, trägt ein T-Shirt mit Aufdruck „La Paloma“. So hieß die Kneipe, die Jörg Immendorff 1984 auf dem Hamburger Kiez eröffnete. In den Armen wiegt der Künster ein paar Kilo Kartoffeln, behütend, als hielte er ein Kind. „Die Kunst“, sagte Immendorff, „muss heute die Funktion der Kartoffel übernehmen.“ Das klingt nach seinem Übervater Joseph Beuys, nach einer sozialen Verpflichtung des Künstlers, nach Kunst als Grundnahrungsmittel und nicht als Sättigungsbeilage. „Elbquelle“ heißt eine repräsentative Ausstellung zum grafischen Werk Immendorffs, die ab Sonntag in der KulturBäckerei zu sehen ist. „Elbquelle“, dass passt doppelt.
Denn Immendorff, der jetzt 72 Jahre alt würde, aber schon vor zehn Jahren starb, ist in Bleckede geboren. An der Elbe also. Er hatte es nicht leicht als Kind. Früh kam er in ein Internat, der Weg zur Kunst vollzog sich weit entfernt von der Elbe. Aber Immendorff hielt lebenslang Kontakt zu seiner Mutter Irene, besuchte sie oft in Bleckede. In seinem Heimatort haben sie den Künstler zu Lebzeiten nicht gepflegt, heute aber eine Schule nach ihm benannt, was erstaunt, und eine Plakette ans Geburtshaus geschraubt. Es wird von Immendorffs frühen Jahren und von seinem Bleckede-Bezug später die Rede sein, in einer anderen Ausstellung, denn die Sparkassenstiftung hat Briefe und andere Zeugnisse aus der frühen Zeit erworben.
Jetzt aber geht es um die Grafik von Jörg Immendorff, und es fehlt eigentlich nichts in dieser Werkschau von rund 60 meist großformatigen Arbeiten. Zur Werkauswahl zählt die dreiteilige, der Ausstellung den Titel gebende Serie „Elbquelle“ aus dem Jahr 1999. Sie nimmt Bezug auf eine gleichnamige Skulptur, die Immendorff für das sächsische Riesa schuf: 234 Tonnen Gusseisen, 25 Meter hoch, inspiriert von einer Wintereiche, wie sie Caspar David Friedrich malte. Die Grafik zeigt die Skulptur in einem Fernseher.
Kaum einer polarisierte und inszenierte sich so wie Immendorff. Er provozierte, politisierte, protestierte. Er lebte exzessiv, redete Klartext und schuf – von Schaffenslust getrieben – eine grobkörnige Kunst markiger Zeichen, bissiger Kommentare. Zugleich eine Kunst der vielen Bezüge, in denen sich alles verbirgt: sein Wissen, seine schneidende Schärfe, seine Ironie und seine mal direkten, mal kaum entschlüsselbaren Botschaften. Druckgrafik war ein besseres Mittel als Malerei, um Kunst Verbreitung zu verschaffen.
Immendorff trieb die deutsch-deutsche Geschichte um und das Auf und Ab des Künstlerlebens, für das er den Maleraffen zum wiederkehrenden Symbol machte. Er huldigte seinen Malerfreunden Penck, Kirkeby, Baselitz und Lüpertz, und in der Serie zum wüsten Leben des Tom Rakewell fand Immendorff ein weiteres Alter Ego. Auch hier erweist er sich als doppelbödiger Erzähler, dem es eben mehr um das, was er alles sagen will, ging als darum, die Feinheit des Strichs, die Gestaltung der Farbfläche zu perfektionieren. Überall herrscht Dynamik. Erst im Spätwerk, als ihn die Nervenkrankheit lähmt, wurden die Erzählungen fokussierter, reduziert, signalartig.
Es ist in dieser Ausstellung sehr viel über den Künstler zu erfahren und zu entdecken und nicht weniger über die Zeit, in der er lebte und die ihn quälte. Berühmt gewordene Zyklen wie „Café Deutschland“ und „Café de Flor“ sind vertreten, mitunter überquellend und immer mit Zeichen, die wiederkehren, etwa die Kartoffeln. Beuys, der Ziehvater, ist übrigens auch da. Er sitzt im „Rimbaudflieger“ als Stuka-Pilot in der Kanzel.
Diese unbedingt sehenswerte Ausstellung setzt sich zusammen aus Werken aus dem Nachlass und aus dem Besitz der Sparkassenstiftung Lüneburg. Als Kurator machte sich Enno Wallis um Auswahl und Hängung verdient. Eine Einführung gibt morgen, Sonntag, um 16 Uhr die Kunsthistorikerin Anne Simone Krüger. Die „Elbquelle“ sprudelt in der KulturBäckerei bis 16. Juli.
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