KO Götz: Bis der Tod sie scheidet

Veröffentlicht am 09. Juni 2017, aktualisiert am 11. Januar 2022 unter Karl Otto Götz - KO Götz, Presse

Karl Otto Götz und Rissa Götz in seinem Wohnhaus bei Neuwied 2014 © Foto:Daniel Biskup

Karl Otto Götz und Rissa Götz in seinem Wohnhaus bei Neuwied 2014 © Foto:Daniel Biskup

Wolfenacker/Düsseldorf. Künstlerpaare: Hausbesuch bei K. O. Götz (103) und Rissa (78) im Westerwald. Er ist berühmt, ihr Werk wird derzeit wiederentdeckt.

Der eine ist ohne den anderen nicht vorstellbar. Ein Künstlerpaar. Seit einem halben Jahrhundert zusammen. K. O.Götz und Rissa – er 103, sie bald 79 Jahre alt. Er ist der Hauptprotagonist und Wegbereiter des deutschen Informel. Seine mit der Gummi-Rakel aufgetragenen Schwünge sind unverkennbar und einzigartig. Die Rakel, ein breites Farbabstreichholz, ist auch das Markenzeichen von Gerhard Richter, Götz‘ prominentestem Schüler. Sie ist die Malerin, die im Schatten des Ehemannes und Lehrers ein höchst eigenwilliges Werk geschaffen hat. Beide waren an der Kunstakademie Düsseldorf stilprägende Professoren. Dort hatte sich das Paar auch kennengelernt.

Anfang der 1960er Jahre hatte sie ihr Probesemester nicht bestanden. Durch das ganze Erdgeschoss am Eiskellerberg schallte damals ihr Geschluchze. Durch Vermittlung eines Kommilitonen gelangte sie zu Professor Karl Otto Götz, der der jungen Frau eine zweite Chance in Aussicht stellte. In jenem Moment der ersten Begegnung fügte sich schicksalhaft ihr Weg : „Es war auch Liebe auf den ersten Blick“. Damals hieß Rissa noch Karin Martin, war mit ihren Eltern 1953 aus der DDR emigriert. Ein Jahr vor ihrer Hochzeit mit Götz, Weihnachten 1965, legte sie sich den Künstlernamen zu nach einem gemeinsamen Sehnsuchtsort in Norwegen. Jeder machte als Künstler seinen Weg, Götz großformatiger, gestenreicher, berühmter, gefeiert. Rissa mit einem Form- und Farbkanon, der in keine Schublade passt. Als Jugendliche malte sie schon, reihte vorzugsweise bunte Streifen aneinander. Später entwickelte sie eine einzelgängerische Position, die nicht immer auf Gegenliebe stieß. Sie weiß: „Meine Bilder sind zu speziell“.

Nach der Pensionierung zog sich das Paar zurück in den Westerwald. Ein winziger Ort, das letzte Haus nach drei Stichwegen, dahinter Wiesen, Bäume, Blumen und Vogelgezwitscher. Ganz still ist es, die Luft frisch. In dem großen Wohnzimmer hängen Werke von Götz und Rissa, ein größtmöglicher Kontrast. Seine freien ausgelassenen Kompositionen, ihre eng, strikt, klinisch wirkenden Konstruktionen. Bei genauerem Hinsehen entstehen leise Dialoge. „Wir leben sehr gerne hier“, sagt Rissa. Der 103-jährige Götz ist erblindet und zunehmend bettlägerig geworden in den letzten Tagen. Doch hellwach ist er im Kopf. Er memoriert sein Leben, philosophiert und wringt vieles durch seine Denkmaschine – so hat er es immer getan und sich darin gedanklich immer tiefer bohrend mit Rissa ausgetauscht. Er fragt bei der Besucherin nach, was es Neues an der Düsseldorfer Akademie gebe und in seiner Heimatstadt Aachen.

Sie war immer Realistin, eine nüchterne Analytikerin der Welt, in der sie lebt. „Ich wirke eher kühl“, sagt sie. „Doch innerlich kann ich sehr leiden, äußerst nervös sein und große Sorgen haben.“ Ihre Kontrolliertheit beherrsche das Leben. Verlogenheit und falsches Gesäusel lehnt sie ab. Was sie zu erzählen hat, oder auf was sie aufmerksam machen will, schlägt sich in den Bildern nieder. „Meine Malerei soll erzählen“, sagt Rissa. Der „Rosenengel“ ist so ein Gemälde, vielleicht ihr bestes, das einem nicht aus dem Kopf geht. Anstelle der rechten weiblichen Brust hat Rissa eine Rose gemalt. Dieser Rosenengel leidet an Brustkrebs – die Rose bedeckt die Wunde der Amputation. Der Golfkrieg (1991) ist an anderer Stelle Bildgegenstand wie der 11. September in New York – ihre Bilder können politisch wirken, aber Rissa will nicht eine politische Künstlerin genannt werden. Eros, Beziehung, Gefühl, Gedanken, Ängste, Tiere, Natur, Vanitas, Stillleben – all das ist Thema, kann autobiografisch gefärbt sein. Auslöser für Rissas Malerei ist die gesamte visuelle Welt, auf die sie mit düster-melancholischem Sentiment und kritisch-skeptischem Geist reagiert.

So wie ihr Mann und Lehrer seinen eigenen Malduktus entwickelt hat, so musste sie ihren finden. Sie malt klinisch glatt, komponiert ungewöhnliche Farben miteinander, malt Körper und Flächen ohne Schatten. Es gibt keinen perspektivischen Bildraum, keine illusionistische plastische Modellierung. Der Farbauftrag wird an manchen Stellen durch „Watscher“ (Wischer) aufgebrochen – mit diesen Frakturen zitiert sie K. O. Götz und bringt Unordnung in ihr strenges System. Innerhalb der angedeuteten Konturen – Linien gibt es meist nicht – zerlegt sie die Malfläche in flackernde Farbfelder, die sie Farbschnipsel nennt. Diese werden Tönen zugeordnet, so dass ein Rhythmus entsteht aus dem autonom gesetzten Muster und dem Wechselspiel der leuchtenden Primär- und Sekundärfarben.

Rissas Malerei ist schwer einzuordnen, Vergleichbares gibt es nicht. Sie hat nach ihren Anfängen mit betörend schönen Zeichnungen und Aquarellen eine radikale Wende vollzogen. In der Zeit, als für viele Künstler der Nachkriegsgeneration Abstraktion das Gebot der Stunde war und aus den USA die Pop Art herüberschwappte, entschied sie sich für eine neue figurative Malerei. Gelungen ist ihr eine fast paradox klingende Synthese aus gegenständlichen und abstrakten Ansätzen. 230 Werke gibt es von Rissa, ein knappes Werk, kleinere und bis zu vier Meter breite Formate, frühe und späte, „sehr gute und weniger gute“ – wie die Künstlerin einräumt. Dabei bringt sie in einem zeitintensiven Prozess Öl auf Leinwand. Rissa sagt über ihre eigenen Stil, Rissa-Malerei sei eine Mischung aus Pop Art und Jugendstil. Verstärkt treten in jüngster Zeit Menschen aus dem Kunstbetrieb an sie heran, die ihr Werk wertschätzen und zeigen wollen. Warum nicht? Sagt sie. Nur verkaufen will sie nicht mehr. „Bis 2009 habe ich jeden Tag gemalt“, erzählt Rissa. Seit es Otto, wie sie ihn ruft, schlechter geht und er seine Frau von früh bis spät als Dialog- und Denkpartner beansprucht, ist alles anders. Trotz tatkäftiger Hilfe zu Hause ist Rissa für ihn die letzte Instanz. Es ist ein glückliches, aber kein leichtes Leben mehr. Malen will Rissa später wieder. Wenn sie einmal alleine ist. Sie fühlt sich erschöpft, sie braucht Trost. „Ich trage das alles mit“, sagt sie, „das Warten auf den Tod. Man weiß nicht, wann und wie er kommt.“ Die Endgültigkeit spricht sie aus. Und hofft, dass ihr Otto noch ein bisschen bei ihr bleibt.

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